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Ich weiß nicht, ob ich es in dem auf so unerklärliche Weise verschwundenen, oder in einem andern Briefe geschrieben habe, daß Freund P. V. Deuster noch in diesem Monat nach Deutschland zu reisen beabsichtigt, um seinen Ältesten nach Bonn zu bringen. Er hat mir geschrieben, daß er unter allen Umständen Dich aufsuchen wolle; ich habe ihn nämlich an Rieß verwiesen, um Deinen derzeitigen Aufenthalt zu erfahren. Wenn er, wie ich vermuthe, um die Mitte Septembers am Rhein sein sollte, so wäre es wunderschön, wenn Du um dieselbe Zeit dort auch in der Nähe wärest. - und angenommen, er hielte sich nur einen Monat in Deutschland auf: - mir hübsch und angenehm, wenn Du nach dreimonatlichem Aufenthalte drüben, gegen Ende Oktober unter seinem Schutze mit Eddy zurückkämst, um etwa 6 Wochen vor Weihnachten hier einzutreffen. Schöner Gedanke, aber's wird wohl anders kommen, denn bis dahin wirst Du Dich wohl schon von mir entwöhnt haben. Von mir ganz gewiß, - aber vielleicht nicht von den Kindern?

Ach! Manchmal denke ich, es wäre besser wenn ich ein Lump und Ludrian wöre; denn alsdann würde ich die Strohwittwerschaft bei Wein und Weibern lustig genug verbringen und Dir ein lustiger Ehemann sein, der Dir nicht alle seine dummen Grillen und manchmal recht verrückten Gedanken schriebe. Hätte ich doch nur von der Oberflächlichkeit (?haftigkeit), die - nicht gerade jetzt, aber sonst Dich so gut kleidete, ein angemessen Theil! Aber das dumme Denken und Grübeln: - wenn man's nur los werden könnte! - Und da man's nicht kann, wie sehr wünsche ich Dir, daß Du, so lange Du noch in dem Alter bist, um einen andern, jungen Mann kriegen zu können, mich los wärest, ohne daß ich durch gewaltsame Herbeiführung dieser erwünschten Conjunktur einen schwarzen Schatten in Dein und unsrer Kinder Leben zu werfen brauchte.

Wäre nicht eigentlich H. Thü...r der rechte Mann für Dich gewesen? - Schön, lebenslustig, munter und mit keinem philiströsen Ehrgefühl belästigt - wie viel ergötzlicher ist das, als die spießbürgerliche Ehrenhaftigkeit, als der pedantische Stolz, immerdar auf eigenen Füßen zu stehen und von Niemandes Gunst abhängig zu sein! - Aber ich bin zu alt, um solche liebenswürdige Schwerenötherei anders als mit einem nicht ganz von Verachtung freien Mitleid anzusehen. Es legt für Dein unverwüstlich gutes Gemüth rühmliches Zeugniß ab, daß Du die "gewisse leichtsinnige Großartigkeit" als eine berechtigte Charakter = Eigenthümlichkeit entschuldigst; ich finde diese Entschuldigung nicht, weil ich aus einer dreißigjährigen Erfahrung gelernt habe, wie solche "leichtsinnige Großartigkeit" zu endigen pflegt, nachdem der jugendliche Reiz verflogen ist. (Siehe: Emil ? u. A.) Eins ist gewiß: Einem Mann von meiner Denkungsart wird der Charakter selbst des angenehmsten Schwerenöthers, der seiner Frau von entfernten Verwandten ein - Stipendium zahlen läßt und sich dann der Gattin eines dieser Verwandten als ein "leichtsinnig großartiger Obenhinaus" präsentirt, immerdar unverständlich sein. Und ich hätte große Lust, das Stipendium doch lieber dem liebenswürdigen "Obenhinaus", der es als eine Pflichtzahlung zu betrachten scheint, zu entziehen, um es der Mutter meiner Kinder zuzuwenden.

Ob und wie viele Briefe von mir und wann Du sie erhalten hast, davon erfahre ich gar nichts. Du führst eben Selbstgespräche ohne jede Beziehung auf meine Briefe. - And now I go to bed, to meet my present wife - the pillow. Yours for ever H R.