.MTE1MA.ODE4NDY
Was ich von Deiner Reise mit Bestimmtheit hoffe und erwarte, ist, daß sie uns beiden geben wird, was wir am meisten brauchen, was wir aber beim Miteinander = Reisen nie hätten haben können: Dir die als Ergänzung der körperlichen so unendlich wichtige seelische Heilung, Ablenkung von der selbstmörderischen Grübelsucht in Betracht Deines Zustandes Selbstvertrauen, Zuversicht und die Fähigkeit, Dich ohne Gängelband auf eigenen Füßen zu bewegen; mir vor allen Dingen Ruhe, Abwesenheit von "Frictionen", die unsere beiderseitige Nervosität unvermeidlich machte, die Möglichkeit stiller Sammlung und des Wiederzusammenlesens der Bruchstücke meines seit Jahr und Tag ganz zertrümmerten Gemüthslebens.
Hoffentlich wird Dir Dein Antheil an dieser geplanten und erwarteten Wirkung Deiner Reise nicht so sauer, wie mir der meinige. Denn wie viele einzelne kleine Verdrießlichkeiten, Unbequemlichkeiten und Enttäuschungen die Reise Dir auch bereiten möge, - eine allgemeine Gemüths = Verdüsterung wird sie auf keinen Fall bei Dir bewirken. Wohl aber könnte das bei mir der Fall sein. Der Anfang dazu ist wohl schon in meiner völligen Zurückziehung aus allen geselligen Kreisen gegeben. - Den Fall freilich angenommen, daß Du dick und fett, mit vollen runden (4) Backen und von allen dummen Nervengeschichten frei in nicht vielen Monaten wiederkehrtest, würde ich wohl dann auch wieder aufleben und mein jetzt ganz verloren gegangenes Interesse an Geselligkeit wieder gewinnen; aber wenn nicht, dann nicht.
Gestern Abend war Sommernachtsfest der Germania; ich bin nicht hingegangen. Dagegen bot ich der ältesten Arnold (ich glaube sie heißt Amalie) an, mein Saisonticket für Thomas' Conzert mit mir benutzen und sie that es. Das Conzert war sehr schön, - nicht bloß die Ausführung, sondern auch die Auswahl des Programms. - Heute war der Geburtstag der Kindergärtnerin, Frl. Mathilde; - ich schickte ihr durch die Kinder einen Kasten kalifornischer Riesling = Weintrauben und einen herrlicher Pfirsiche. Die Frau Dr. Hotz hat, wie ich von den Kindern höre, in gleich praktischem Sinne am Nachmittag 2 Kübel icecream geschickt; woran die ganze Schule Theil genommen hat.
Um 11 heute Vormittag sprang mit jener soubrettenhaften Naivetät, die ein Frauenzimmer von mindestens meinem Alter so schlecht kleidet, Ottilie Genée zu mir herein. Sie ist mit einem "lot" Schauspieler für ihre Bühne in San Francisco an demselben Tage von Deutschland abgefahren, an welchem Du von New