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5) 1881

Chicago, Dienstag, 19. Juli Abends 10 Uhr (in Southampton Mittwoch früh 2 1/2 Uhr)

Ich weiß nicht, ob ich diese Zeilen überhaupt an Dich absenden werde; ich schreibe sie nur, um die innere Unruhe loszuwerden, die mich den ganzen Tag geplagt hat. Denn auf heute hatte ich mir Deine Ankunft in Southampton angesetzt und es drückt mich schwer, daß die Kabelnachricht davon noch nicht da ist. Mag ich mirs zehnmal sagen, daß das Unsinn ist, daß die "Oder", wenn sie nicht eine extra wunderbar schnelle Fahrt gemacht hat, nicht wohl vor Mittwoch früh in Southampton eintreffen kann; daß Ihr vielleicht schon in diesem Augenblicke bei der Isle of Wight liegt: - immer und immer wieder werden diese Betrachtungen durch die allerphantastischsten Beängstigungen und Befürchtungen verdrängt. Statt der vielen Tausende von Fahrten, die ganz glücklich und ohne jeden Zwischenfall zurückgelegt worden sind, drängen sich mir die zwei oder drei übel abgelaufenen vor die Einbildung und ich fühle mich darüber so jämmerlich, daß ich's gar nicht sagen kann. Derweil vielleicht Du sehr behaglich in Deiner Coje schläfst und dem Anblick des Landes entgegenträumst. - Wenn ich nur sicher wüßte, daß es so ist! Die Trennung an sich ist schon übel genug, aber die 10 oder 12 Tage, während welcher man beim besten Willen nichts von einander erfahren kann, während welcher man wie durch Sonnenweiten von einander geschieden ist, sind doch das Schlimmste. Weiß ich Dich nur erst auf festem Lande und habe ich Dein erstes Telegramm, so wird sich das Andere alles viel eher ertragen lassen.

Vielleicht werde ich mich dann auch aus meinem trübsinnigen Einsiedlerthum herausreißen; fürerst aber bin ich diesem mehr als je hingegeben. Denn kaum hat sich Ännchen von dem Fieber, welches sie doch recht blaß und schmal gemacht hat, halbwegs