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wie schlecht bestehst Du sie! Um Deiner Zukunft Willen wäre es mir weit angenehmer
wie schlecht bestehst Du sie! Um Deiner Zukunft Willen wäre es mir weit angenehmer
gewesen, wenn Du, wie es Deinem jugendlicheren Alter geziemt,
gewesen, wenn Du, wie es Deinem jugendlicheren Alter geziemt,
Dich drüben ganz köstlich amüsirt hättest,
Dich drüben ganz köstlich amüsirt hättest, und zwar ganz unbefangen, ohne
jeden Nebengedanken. Statt dessen bist Du, wie weiland die Felicitas Vestvali,
ein weiblicher Hamlet gewesen, in dessen Brust sich zwei Seelen gestritten
haben. (Beiläufig bemerkt weiß ich sehr wohl, daß die "zwei Seelen"
dem Faust von Mephistos nachgesagt werden, und nicht dem Hamlet, - doch magst Du denken, daß
ich auf einmal, wie Schläger sagte, wenn er zwei Metaphern durcheinander
mengte, "prägnant" habe sein wollen).
 
..... Und doch, ist es nicht eigentlich eine Dummheit, daß wir uns beide so
durch Grübeleuen das Leben sauer machen? Das [[verdammte?]] Denken ist an [[vielem?]]
Unheil schuld. In einem Deiner Briefe schreibst Du, daß doch eigentlich Jeder seinen
Beruf verfehlt habe, der nicht deutscher Bierbrauer in Amerika geworden sei. Das
ist ja so richtig, - wenn richtig verstanden! Nämlich die dämlige, gedankenlose
Unbefangenheit des Bierokraten ist sein größter Schatz, mehr werth, als seine
Millionen. - Er grübelt nicht, er philosiphirt und spinthisirt nicht, sondern -

Latest revision as of 11:47, 16 July 2022

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und spießbürgerlich vorkommen wird. Auch würde es mir nicht im Traum einfallen, Dir daraus einen Vorwurf zu machen. Geht es mir doch, in Folge Deiner begeisterten Schilderungen, z. B. von Vevey, selbst so, daß mir Chicago verleidet wird. Du hast es, im Vergleich mit Berlin, ein Dreckdorf genannt und hast darin vielleicht sehr recht. Es war mir bisher immer in unserm Heim so behaglich vorgekommen; allein dieses Behagen ist durch Deine Briefe gründlich zerstört worden, und - ich weiß nun gar nicht mehr, was ich möchte. - Mich irgendwo anders, wo ich nichts wäre und nichts zu thun hätte, einzugewöhnen, dazu bin ich zu alt und nicht elastisch genug, und doch ist das Vergnügen am ? (ein Vergnügen, wobei manche Selbsttäuschung mit unter ? sein mag) mir nun durch Deine Schilderungen auch verdorben. Was soll ich nun sein, - und thun? - Ein Baum in meinem Alter verpflanzt sich nicht mehr: - Beweis alle die fußdicken Ulmbäume, die unser Nachbar Milligan seit Jahren mit unermüdlicher Ausdauer vor sein Haus gepflanzt, nur um sie regelmäßig absterben zu sehen. Was also mit mir anfangen? Auf den Kehricht - das wäre noch am besten. Auch hatte ich gehofft, daß Deine Reise in Europa eine Vorprobe auf den Wittwenstand sein solle. Doch - Du lieber Himmel - wie schlecht bestehst Du sie! Um Deiner Zukunft Willen wäre es mir weit angenehmer gewesen, wenn Du, wie es Deinem jugendlicheren Alter geziemt, Dich drüben ganz köstlich amüsirt hättest, und zwar ganz unbefangen, ohne jeden Nebengedanken. Statt dessen bist Du, wie weiland die Felicitas Vestvali, ein weiblicher Hamlet gewesen, in dessen Brust sich zwei Seelen gestritten haben. (Beiläufig bemerkt weiß ich sehr wohl, daß die "zwei Seelen" dem Faust von Mephistos nachgesagt werden, und nicht dem Hamlet, - doch magst Du denken, daß ich auf einmal, wie Schläger sagte, wenn er zwei Metaphern durcheinander mengte, "prägnant" habe sein wollen).

..... Und doch, ist es nicht eigentlich eine Dummheit, daß wir uns beide so durch Grübeleuen das Leben sauer machen? Das verdammte? Denken ist an vielem? Unheil schuld. In einem Deiner Briefe schreibst Du, daß doch eigentlich Jeder seinen Beruf verfehlt habe, der nicht deutscher Bierbrauer in Amerika geworden sei. Das ist ja so richtig, - wenn richtig verstanden! Nämlich die dämlige, gedankenlose Unbefangenheit des Bierokraten ist sein größter Schatz, mehr werth, als seine Millionen. - Er grübelt nicht, er philosiphirt und spinthisirt nicht, sondern -