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eigenen hätte
eigenen hätte erkaufen müssen.
 
Was Du mir sonst von den Unsrigen schreibst, lautet ebenfalls wehmüthig
genug. Daran wird mir erst die lange Dauer meiner Entfernung von dort zum
Bewußtsein gebracht. Wie große Veränderungen sind nicht in den 8 Jahren in den näheren
u. weiteren Kreisen vorgegangen, in denen ich mich damals bewegte! Ich glaube, es
würde, wenn ich zum Besuch hinüberkäme, die Freude über das Wiedersehen der
Heimath vom Schmerze weit überwogen werden. Denn wenn ich auch über die
einzelnen Veränderungen, die dort vorgehen, gewöhnlich bald unterrichtet werde, so kann
ich doch, außerhalb des dortigen alltäglichen Lebens stehend, nicht in demselben Maße die
lindernde Wirkung der Zeit u. der Gewöhnung an die erstandenen Lücken empfinden,
wie derjenige, der sich in ihrer unmittelbaren Nähe befindet.
 
Du wünschst von unserem häuslichen Leben zu hören. Ich weiß, es wird
Dir in den mancherlei Trübsalen, die Dich umgeben, zur Freude gereichen, wenn
Du hörst, daß es uns recht gut geht u. daß wir recht zufrieden sind. Von Krankheit
sind wir noch nicht wieder heimgesucht worden; unsre Mathilde gedeiht herrlich u.
macht uns mit ihrer Lebhaftigkeit einige Freude, auch zuweilen jenen heiteren
Verdruß, der eigentlich nur als eine Abwechslung in der Freude zu betrachten ist. Du
fragst, ob es bei uns noch Sitte sei, Weihnachtsbescherungen zu halten. Und wie! [[Wir?]]
hatten einen prachtvollen Zuckerbaum, eine kerzengrade Canadische Tanne (Die
in Deutschland nur als Zierpflanze gezogen wird) von 9 Fuß Höhe u. daran 100 - 200
ordentliche künstliche Georginen, Rosen, Hortensien pp.; für 4 Doll. Marzipan, Zuckerwerk,
Nüsse; Apfelsäcke von Goldpapier, vergoldete Nüsse, bunte Wachslichter in
Menge pp. Es war ein wahrer Staat, - oder ist es vielmehr noch, denn wir haben den
Baum in einem unserer Besuchszimmer stehen lassen, da er eine wirkliche Zierde ist -
und unsere amerikanischen Nachbarn, die wir mit ihren Kindern herüberholten,
hatten ihre rechte Freude daran. Auch an der Bescherung fehlte es nicht u. ich will Dir, in
der Voraussetzung, daß es Interesse für Dich hat, ausführlich darüber berichten. Also
1) Mathilde erhielt: eine Puppe - ein kleines Kind von 6 oder 8 Monaten vorstellend
und auch von der Größe eines solchen - mit Vorrichtung zum Schreien u. beweglichen Gliedern;
dazu eine Wiege von 2 Fuß Länge u. mit Bettzeug, zu welchem Bertha alle
Spitze u. Stickereien von ihren abgelegten Kragen, Chemisettes pp. vernäht hatte; ferner
eine ordinäre Puppe mit Porzellankopf zum wirklichen Spielen (denn meine
Frau ist darin noch ganz deutsch, daß sie dem Kinde das beste Spielzeug - aufhebt); - sodann

Latest revision as of 08:57, 13 July 2022

diesem ihrem Lieblingskind widmete, sie dessen Fortleben vielleicht mit ihrem eigenen hätte erkaufen müssen.

Was Du mir sonst von den Unsrigen schreibst, lautet ebenfalls wehmüthig genug. Daran wird mir erst die lange Dauer meiner Entfernung von dort zum Bewußtsein gebracht. Wie große Veränderungen sind nicht in den 8 Jahren in den näheren u. weiteren Kreisen vorgegangen, in denen ich mich damals bewegte! Ich glaube, es würde, wenn ich zum Besuch hinüberkäme, die Freude über das Wiedersehen der Heimath vom Schmerze weit überwogen werden. Denn wenn ich auch über die einzelnen Veränderungen, die dort vorgehen, gewöhnlich bald unterrichtet werde, so kann ich doch, außerhalb des dortigen alltäglichen Lebens stehend, nicht in demselben Maße die lindernde Wirkung der Zeit u. der Gewöhnung an die erstandenen Lücken empfinden, wie derjenige, der sich in ihrer unmittelbaren Nähe befindet.

Du wünschst von unserem häuslichen Leben zu hören. Ich weiß, es wird Dir in den mancherlei Trübsalen, die Dich umgeben, zur Freude gereichen, wenn Du hörst, daß es uns recht gut geht u. daß wir recht zufrieden sind. Von Krankheit sind wir noch nicht wieder heimgesucht worden; unsre Mathilde gedeiht herrlich u. macht uns mit ihrer Lebhaftigkeit einige Freude, auch zuweilen jenen heiteren Verdruß, der eigentlich nur als eine Abwechslung in der Freude zu betrachten ist. Du fragst, ob es bei uns noch Sitte sei, Weihnachtsbescherungen zu halten. Und wie! Wir? hatten einen prachtvollen Zuckerbaum, eine kerzengrade Canadische Tanne (Die in Deutschland nur als Zierpflanze gezogen wird) von 9 Fuß Höhe u. daran 100 - 200 ordentliche künstliche Georginen, Rosen, Hortensien pp.; für 4 Doll. Marzipan, Zuckerwerk, Nüsse; Apfelsäcke von Goldpapier, vergoldete Nüsse, bunte Wachslichter in Menge pp. Es war ein wahrer Staat, - oder ist es vielmehr noch, denn wir haben den Baum in einem unserer Besuchszimmer stehen lassen, da er eine wirkliche Zierde ist - und unsere amerikanischen Nachbarn, die wir mit ihren Kindern herüberholten, hatten ihre rechte Freude daran. Auch an der Bescherung fehlte es nicht u. ich will Dir, in der Voraussetzung, daß es Interesse für Dich hat, ausführlich darüber berichten. Also 1) Mathilde erhielt: eine Puppe - ein kleines Kind von 6 oder 8 Monaten vorstellend und auch von der Größe eines solchen - mit Vorrichtung zum Schreien u. beweglichen Gliedern; dazu eine Wiege von 2 Fuß Länge u. mit Bettzeug, zu welchem Bertha alle Spitze u. Stickereien von ihren abgelegten Kragen, Chemisettes pp. vernäht hatte; ferner eine ordinäre Puppe mit Porzellankopf zum wirklichen Spielen (denn meine Frau ist darin noch ganz deutsch, daß sie dem Kinde das beste Spielzeug - aufhebt); - sodann