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von Telegraphendraht mitnimmt, so daß man während der ganzen Fahrt in Verkehr mit
von Telegraphendraht mitnimmt, so daß man während der ganzen Fahrt in Verkehr mit
dem Lande bleiben kann. Warum nicht? Die Dinge, die uns heute Alltäglichkeiten sind,
dem Lande bleiben kann. Warum nicht? Die Dinge, die uns heute Alltäglichkeiten sind,
wären vor fünfzig Jahren viel unmöglicher und unglaublicher erschienen, als das.
wären vor fünfzig Jahren viel unmöglicher und unglaublicher erschienen, als das. - Doch in Ermangelung
jener Einrichtung will ich nur wünschen, daß Du eine Art Tagebuch führst,
damit wir in vierzehn Tagen (etwa am Freitag 4. Dezember) vergleichen können, was wir um
die gleiche Zeit erlebten und empfanden. - Die Kälte hat wieder nachgelassen, wir hatten heute just Null.
 
Freitag, 25. November
 
Vier Tage habe ich, wie Du siehst, pausirt; - nicht weil ich etwa kränker geworden wäre,
denn das ist nicht geschehen, vielmehr ist von meiner Grippe nichts mehr übrig, als ein
gewöhnlicher Schnupfen; - sondern weil meine Gedanken gar zu trübe und ängstlich waren und
ich nur in diesem Sinne hätte schreiben können. Also lieber gar nicht. - Jeden Augenblick,
den ich allein war, folgten meine Gedanken der Bahn des "Lessing" und Nachts habe
ich stundenlang gewacht, weil mir die nächsten Phantasiegebilde durch den Kopf
gingen. Oft schnürte es mir krampfhaft das Herz zusammen, zu denken, daß Du
in demselben Augenblicke vielleicht mitten in Sturm und Graus und Todesangst Dich
befändest, oder gar schon, sammt Eddy, auf dem Meeresgrunde lägest. Der böse Zufall
wollte auch, daß ich in einer Nacht mit großer Lebhaftigkeit träumte,
meine Zähne fielen mir plötzlich aus, - und auch Deinem eigenen Munde weiß
ich ja, welche schreckliche Bedeutung der Aberglaube einem solchen Traume beilegt. Da,
wenn Du dies liest, ja jede Gefahr glücklich überstanden ist, so machst Du immerhin
zu diesen Thorheiten lachen; allein das hindert nicht, daß sie das Gemüth eben so
schwer bedrücken, wie Wirklichkeiten. Und es sollte mich nicht wundern, wenn
auch Du, so wenig Du zur Grübelei neigst, manchmal von ähnlichen Beängstigungen
zu leiden gehabt hättest. Heute ertappte ich mich über dem Gedanken, wie
viel weniger ich in dieser Beziehung gelitten haben würde, wenn Du mich brieflich
hättest glauben machen, Du würdest bis zum Frühjahr drüben bleiben und mir
dann ganz unversehens Deine Ankunft in New York telegraphirt hättest. - Jedermann
lacht mich über meine Angst aus; so noch heute Frau Lehmann, der ich vor Gossage
begegnete und die mehremale gerade in der zweiten Hälfte des November den Ozean

Latest revision as of 08:59, 14 December 2022

Montag, 21. November

Heute ist's mir recht elend ergangen. Als ich Morgens aufstand, konnte ich kaum flüstern und war so gliederlahm, daß ich mit dem Van Buren car nach der Office fahren mußte. - Als Rapp mich sah, meinte er, es sei thöricht von mir gewesen, überhaupt zu kommen. Doch darin hatte er Unrecht. Denn nach wie vor ist die gewohnte Arbeit für mich in allen Krankheiten das beste Mittel. So hat sie sich auch diesmal bewährt, denn wenigstens heute Abend fühlte ich mich besser und habe meine Stimme größtentheils wieder. In ein Paar Tagen wird, denke ich, Alles vorbei sein; jedenfalls noch vor Deiner Ankunft. Aber lieb ist es mir doch, daß dieser unangenehme Zwischenfall nicht eingetreten ist, während Du noch drüben warst; sonst hätte ich in meinen Telegrammen lügen müssen, was nun, wahr und wahrhaftig nicht geschehen ist. Denn daß die Kinder ein bischen Husten und Schnupfen hatten brauchte ich doch nicht zu erwähnen. - Wo Du jetzt bist, ist es Dienstag früh 4 Uhr: - ob Du wohl ruhig schläfst? Oder seekrank bist? Ob ruhige See, oder Sturm? - Ich hoffe es wird noch dahin kommen, daß jedes Schiff ein Ariadne=Knäuel von Telegraphendraht mitnimmt, so daß man während der ganzen Fahrt in Verkehr mit dem Lande bleiben kann. Warum nicht? Die Dinge, die uns heute Alltäglichkeiten sind, wären vor fünfzig Jahren viel unmöglicher und unglaublicher erschienen, als das. - Doch in Ermangelung jener Einrichtung will ich nur wünschen, daß Du eine Art Tagebuch führst, damit wir in vierzehn Tagen (etwa am Freitag 4. Dezember) vergleichen können, was wir um die gleiche Zeit erlebten und empfanden. - Die Kälte hat wieder nachgelassen, wir hatten heute just Null.

Freitag, 25. November

Vier Tage habe ich, wie Du siehst, pausirt; - nicht weil ich etwa kränker geworden wäre, denn das ist nicht geschehen, vielmehr ist von meiner Grippe nichts mehr übrig, als ein gewöhnlicher Schnupfen; - sondern weil meine Gedanken gar zu trübe und ängstlich waren und ich nur in diesem Sinne hätte schreiben können. Also lieber gar nicht. - Jeden Augenblick, den ich allein war, folgten meine Gedanken der Bahn des "Lessing" und Nachts habe ich stundenlang gewacht, weil mir die nächsten Phantasiegebilde durch den Kopf gingen. Oft schnürte es mir krampfhaft das Herz zusammen, zu denken, daß Du in demselben Augenblicke vielleicht mitten in Sturm und Graus und Todesangst Dich befändest, oder gar schon, sammt Eddy, auf dem Meeresgrunde lägest. Der böse Zufall wollte auch, daß ich in einer Nacht mit großer Lebhaftigkeit träumte, meine Zähne fielen mir plötzlich aus, - und auch Deinem eigenen Munde weiß ich ja, welche schreckliche Bedeutung der Aberglaube einem solchen Traume beilegt. Da, wenn Du dies liest, ja jede Gefahr glücklich überstanden ist, so machst Du immerhin zu diesen Thorheiten lachen; allein das hindert nicht, daß sie das Gemüth eben so schwer bedrücken, wie Wirklichkeiten. Und es sollte mich nicht wundern, wenn auch Du, so wenig Du zur Grübelei neigst, manchmal von ähnlichen Beängstigungen zu leiden gehabt hättest. Heute ertappte ich mich über dem Gedanken, wie viel weniger ich in dieser Beziehung gelitten haben würde, wenn Du mich brieflich hättest glauben machen, Du würdest bis zum Frühjahr drüben bleiben und mir dann ganz unversehens Deine Ankunft in New York telegraphirt hättest. - Jedermann lacht mich über meine Angst aus; so noch heute Frau Lehmann, der ich vor Gossage begegnete und die mehremale gerade in der zweiten Hälfte des November den Ozean