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Latest revision as of 20:32, 25 September 2022
16) 1881
Chicago, 18. August 1881
Geliebtes Weib
Deinen lieben langen Brief vom 1. d. M., den letzten aus Dessau, habe ich heute Nachmittag (immerhin erst in 17 Tagen) erhalten und obschon es mir fast kindisch erscheint, schon wieder zu schreiben, nachdem ich erst heute Vormittag einen Brief abgesendet habe so kann ich es doch nicht unterlassen, weil es in meinen einsamen Abenden meine einzige Unterhaltung ist. Denn aus dem Plan, mich mit dem Studium wissenschaftlicher Werke zu beschäftigen, oder gar zu Nutz und Frommen meiner Kinder die mageren Denkwürdigkeiten meines Lebens zu schreiben, ist nichts geworden. Zu beidem fehlt es mir an Lust und Stimmung, weil mein Gemüth zum Bersten voll von Sehnsucht nach Dir und Eddy ist, und ich, wenn allein, gar keinen andern Gedanken fassen kann, als an Euch. So schwer hätte ich mir die Sache doch nicht gedacht, obwohl schwer genug. Und nun erst weiß ich die so oft gedankenlos nachgesprochenen Worte Göthes zu würdigen: "Nur Wer die Sehnsucht kennt, weiß was ich leide."
Deine Schilderungen von Dessau haben auf mich einen fast beängstigendenden, ja abschreckenden Eindruck gemacht. Wie haben acht Jahre - und noch dazu acht Jahre stetigen wirtschaftlichen Niedergangs Deutschlands - eine solche Veränderung bewirken können? Du schreibst, alle unsre Bekannten seien reich, oder doch wohlhabend geworden. Doch um Alles in der Welt, wovon denn? Durch Gründerschwindel und Börsenspiel? Es ist mir ein Rätsel. Freilich wenn die Leute so ehr- und gewissenlos sind, wie es nach Deiner Erzählung A. K. in der Hausverkaufsgeschichte mit A. R. gewesen ist, so können sie schon Geld machen, - aber krummes. Mir ist ein ehrlich erworbener Thaler lieber, als zehn krumme. Jene Geschichte ist ja abscheulich und nach hiesigen Begriffen der blanke, betrügerische Vertrauensbruch. Gerade bei solchen Gelegenheiten kommen hier nie, oder fast nie solche Dinge vor, - jedenfalls niemals bei Leuten, die auf einen
top of page; written upside down: Die ausgestrichenen Stellen enthielten finstere Gedanken, wie sie mir Abends in einsamer Ruhe öfters kommen, die ich aber am andern Morgen nicht geschrieben zu haben wünsche. Sei heiter, amüsire Dich und laß mich, wie ich bin.
Wie viele Briefe hattest Du denn von mir in Dessau bis zum 2. August? Ich habe sehr oft, wohl zu oft geschrieben, aber nicht nachgerechnet.
Leinengleid würde ich übrigens doch lieber mit k schreiben, wenn Dir's nicht unangenehm ist /top of page; written upside down